Auf Rosen gebettet

“Für junge Schwule, Bisexuelle und Lesben sind die Rosekids in Freiburg die Anlaufstelle (via dbna.de | 02.01.2012)

Von jungen Schwulen für junge Schwule – so präsentiert sich derzeit das Konzept der Rosekids aus Freiburg. Neun Jugendliche aus der Region leiten zusammen den Verein, planen und gestalten die Nachmittag und tragen dabei die gesamte Verantwortung.

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Es ist etwa ein halbes Jahr her, da erschüttert die Rosekids ein kleines Erdbeben. Nicht nur wurde der
gesamte engere Vorstand ausgetauscht, es wurde auch ein krasser Generationenwechsel eingeleitet. Dem Trägerverein „Rosekids e.V.“, der Jugendfreizeit für junge Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuellen zwischen 14 und 27 Jahren anbietet, steht nun eine Mannschaft vor, die im Schnitt nicht mal 24 Jahre alt ist. Zehn Personen, davon drei im engeren und sieben im erweiterten Vorstände koordinieren die Arbeiten, sie bilden Ausschüsse, organisieren Veranstaltungen, Ausflüge, ja alle Aktivitäten der Gruppe.

Doch von den zehn Jungs und Mädels lebt der Verein alleine nicht, sondern vom ehrenamtlichen Engagement jedes einzelnen Mitglieds – egal, ob mit oder ohne Funktion. „Der ‚peer-to-peer‘-Ansatz steht bei uns an ganz erster Stelle“, hebt der 21-jährige Stefano hervor. Altersgerechte Aufklärung und Hilfe beim Coming-out Er gehört, wie sein Freund Jonas, zum erweiterten Vorstand. Beide sind auch schon weitaus länger bei den Rosekids dabei: Stefano seit knapp fünf, Jonas seit etwa dreieinhalb Jahren. Während der 20-jährige Jonas den erweiterten Vorstand koordiniert, kümmert sich Stefano um die Pressearbeit und die u20-Gruppe – eine von zwei Freizeitgruppen (u20 und u28). Auf diesem Wege bieten die Rosekids möglichst altersgerecht auch Aufklärung und Hilfe beim Coming-out. Zudem vertreten sie diese Gruppen gegenüber Politik und Öffentlichkeit.Ihre ersten Besuche bei der u20-Gruppe fallen jeweils mit ihrem Coming-out zusammen. Jonas‘ Mutter kam von selbst auf den Gedanken, dass ihr Sohn schwul sein könnte – und sprach ihn, als er 17 Jahre alt war, auch ganz konkret an. „Danach habe ich aus meinem Schwulsein kein Geheimnis mehr gemacht, wobei ich es zuvor einfach nicht für nötig gehalten hatte, es publik zu machen“, bekennt Jonas freimütig. Nachdem er erst in Lörrach die rainbow stars – eine eher kleinere Jugendgruppe – besuchte, geriet er durch Kontakte schnell zu den Rosekids.

Nachdem Stefano ab Ende 2006 immer mehr Zeit in Freiburg verbrachte, konfrontierte ihn seine Mutter mit ihren Überlegungen. Nachdem sie ihn mit lauter Jungs – die sich dann auch noch als älter als er erwiesen –, verdächtigte sie ihn des Drogenkonsums, was er strikt von sich wies. „Dann kam die Frage: ‚Sind die schwul?!?‘ – Worauf ich nur mit einem trockenen „Ja“ antworten konnte“, berichtet der angehende Physiotherapeut leicht amüsiert. Der Vater erfuhr es kurz darauf von Stefanos Mutter, die sich dann auch die damalige Coming-out-Ausgabe des Sterns zulegte. Später standen dann noch ein gemeinsamer Besuch bei der Aids-Hilfe und den Rosekids auf dem Programm. „Meine Mutter kommt auch heute noch gerne bei uns vorbei“, meint Stefano schmunzelnd.

„Die Unterteilung senkt die Hemmschwelle“

Alle zwei Wochen trifft sich der 21-jährige Halbitaliener freitags von 17 bis 19 Uhr mit den u20-Leuten. Das Durchschnittsalter beträgt etwa 17 Jahre. „Unser jüngster Besucher ist derzeit 13 Jahre alt und wir versuchen ihn bestmöglich einzubinden“, erklärt Stefano, für den sich hier einmal mehr die Unterteilung in U20 und U28 als optimal erweist. „Das senkt die Hemmschwelle für junge Schwule uns aufzusuchen, da sie automatisch auf Altersgenossen treffen und nicht 8 Jahre Altersunterschied und somit ganz andere Interessen und Erfahrungen vorfinden“, bekräftigt auch Jonas.

Weitaus häufiger finden die U28-Treffen statt. Zweimal die Woche – mittwochs und freitags jeweils ab 19.30 Uhr – treffen sich fünf bis zehn bzw. freitags über zwanzig schwullesbische Jugendliche aus dem Freiburger Raum. Zu den U28-Treffen sind auch die unter 20-Jährigen willkommen, hier zeigt man sich deutlich flexibel. Das Durchschnittsalter beträgt hierbei 21 Jahre. Doch es gilt auch: „Wer einmal bei den Rosekids war, kann grundsätzlich immer kommen“, unterstreicht Stefano, doch schiebt noch nach: „Wir achten aber ganz klar auf die Zusammensetzung der Gruppe.“

Die Rosekids sehen sich dabei als großer Freundeskreis, der offen für neue Gesichter ist. „Gerade in letzter Zeit tauchen viele Neue auf, gleichzeitig ist die Beständigkeit hoch. Es gibt also eine ausgewogene Mischung“, erzählt Jonas. Ein Durchlauferhitzer für die Szene sei man nicht, wolle man auch gar nicht sein. Beeindruckend ist dabei auch der Einzugsbereich der Rosekids. Die Mitglieder und Besucher kommen unter anderem aus Lörrach, Donau-Eschingen, Villingen-Schwenningen, Offenburg, Rheinfelden, einige sogar aus dem nahen Frankreich. „Unsere große Gruppe zieht andere aus weitem Umfeld an, wir denken so eigentlich den gesamten äußersten Südwesten der Bundesrepublik ab. Das liegt wohl auch daran, dass es sonst nur wenige schwullesbische Jugendgruppe dort gibt“, überlegt Stefano.

Auch Tabuthemen kommen auf den Tisch

Grundsätzlich verlaufen die Treffen offen, wobei einmal im Monat eine Aktion auf die Tagesordnung gesetzt wird. Dabei steht immer eine kostenlose oder kostengünstige Freizeitgestaltung im Vordergrund. „Wir sind uns bewusst, dass vielen Jugendlichen einfach keine großen finanziellen Sprünge möglich sind“, erklärt Jonas. Zuletzt haben die Rosekids unter anderem Halloween zusammen gefeiert sowie Besuch vom Freiburger Arbeitskreis Leben mit deren suizidpräventiven Angebot [U25]. [U25] bietet betroffenen Jugendlichen unter 25 Jahren die Möglichkeit, sich anonym melden und über Probleme berichten zu können. Ehrenamtliche Krisenberater, die ebenso jünger als 25 sind, stehen dabei als Ansprechpartner zur Verfügung. Auch hier ist Stefano engagiert.
Bei den Rosekids stand bei dem Besuch von [U25] das gesellschaftliche Tabuthema „Selbstmord“ auf dem Programm. „Dieses Thema war ein Reizthema“, stellt Jonas im Nachhinein fest, „wir haben hier den Nerv unserer Besucher getroffen: Dreißig Rosekids kamen zu diesem Themenabend.“ Nachdem erst eine Schüchternheit alle Zuhörer erfasst hatte, brachen bald alle Dämme. „Ursprünglich waren mit den Leuten von [U25] anderthalb Stunden geplant – am Ende war es fast doppelt so lang“, führt Stefano aus. In der Diskussion wurden dabei Fragen nach dem Umgang mit Suizidgedanken im Freundeskreis aufgeworfen. „Man merkte deutlich, dass dieses Thema vielen unter den Nägeln brannte – und noch brennt. Wir werden das definitiv nochmal aufgreifen“, da sind sich Stefano und Jonas einig.

Neben den regelmäßigen Treffen stehen aber auch außerordentliche Fahrten immer wieder auf dem Programm. So ging es in der Vergangenheit zum CSD nach Stuttgart und nach Karlsruhe. Auf letzterem lief man sogar mit zehn Leuten mit, wobei man sich den Grünen anschloss. Doch prinzipiell bleiben sich die Rosekids und ihre Vorstände neutral. „Jeder soll sich selbst informieren und sich ggf. selbst einbringen, wir als Vorstand wollen aber keine Meinungsbeeinflussung“, erklärt Jonas. Daher habe man sich auch an den Papstprotesten in Freiburg nicht beteiligt. „Die Jugendgruppe soll sich da raushalten“, stellt Stefano klar und Jonas ergänzt: „Die Kirche soll uns tolerieren und wir tolerieren auch sie.“

Anknüpfung an Lambda angedacht

Der nächste richtig große Programmpunkt bei den Rosekids steht im Januar an: Vom 28. bis zum 29. Januar 2012 hat der Vorstand ein Hüttenwochenende auf dem Feldberg organisiert. Um der Grüppchenbildung, die sich bei einer großen Gruppe wie den Rosekids nicht vermeiden lässt, vorzubeugen, stehen Gemeinschaftsaktionen auf dem Plan. „Natürlich hoffen wir auf schön viel Schnee“, grinst Jonas, der die Anmeldungen betreut. Bisher seien nur noch drei Plätze frei. „Doch keine Sorge“, meint Stefano, „das Wochenende ist nicht komplett durchgeplant. Wir haben bewusst Freiräume für jeden erhalten.“

Für die Zukunft hat der Vorstand auch noch einiges vor: nach der im Oktober erfolgten Aufnahme in den Stadtjugendring, wodurch es gewisse Fördergelder gibt, überlegt man, dem Jugendnetzwerk Lambda beizutreten. „Die alten Vorstände wollten keine Hilfe von außen. Wir jedoch wollen Lambda nutzen, auch gerade wegen der Ausbildung für Jugendgruppenleiter“, so Jonas.

Neue Unterkunft bei RosaHilfe?

Gleichzeitig sehen sich die Vorstände der Rosekids aber auch mit Schwierigkeiten konfrontiert. „Das ganz große Problem ist, dass wir ab nächstes Jahr eine neue Bleibe benötigen“, seufzt Stefano. Die derzeitige Miete von 125 Euro monatlich überschreitet die finanziellen Fähigkeiten des Vereins. Aus der Gruppe sind auch kritische Stimmen dazu zu vernehmen. „Leider gibt es auch von Seiten des Jugendhilfswerks Freiburg kein Entgegenkommen. Dort pocht man auf den abgeschlossenen Vertrag“, stellt ein Rosekidsmitglied klar, das anonym bleiben möchte. Die Wechselmöglichkeiten seien begrenzt, da es kaum bis keine Räumlichkeiten gebe, die freitags größere geschlossene Gruppen aufnähmen. „Es kommt für uns nicht in Frage, dass wir Räume mit anderen rein heterosexuellen Jugendlichen teilen müssen. Wir wollen weiterhin einen geschlossenen Rahmen – eben gerade für nicht Geoutete“, sind sich Stefano und Jonas einig.

Als Ersatz könne die RosaHilfe dienen, meint Jonas: „Dort hatten wir unsere Räume bis vor zwei Jahren auch noch. Auseinandersetzungen beendeten die Zusammenarbeit, die für die Vereinskasse weniger belastend war, jedoch.“ Jedoch haben die Räume dort auch einen Haken: Der Freitagstermin könne so nicht mehr stattfinden, da schon eine andere Gruppe diesen bei der RosaHilfe besetze.

So herrscht noch große Unsicherheit bei den jungen Vorständen, was den Treffpunkt ab 2012 angeht. Dennoch strahlt Stefano Zuversicht aus: „Wir schaffen das schon!“ “

Autor: Alexander ([email protected]) von dbna.de

Der Artikel erschien am 02. Januar 2012 bei dbna.de:
https://www.dbna.de/comingout/jugendgruppen/111124-rosekids-freiburg.php

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